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11 gesunde Probanden (5 Frauen & 6 Männer) haben sich freiwillig dem Risiko der akuten Höhenkrankheit ausgesetzt. Und warum das Ganze? Um sich in den Dienst der Wissenschaft zu stellen und dabei zu helfen, neue Erkenntnisse zu gewinnen. Untersucht werden sollte die Auswirkung körperlicher Belastung in Hypoxie, und zwar sowohl in hypobarer Hypoxie, also am Berg, als auch in normobarer Hypoxie, also in künstlicher Höhe – und genau da kommt das Institut für Höhentraining ins Spiel, denn dieser Teil der Studie fand in unseren Höhenräumen statt.

Aber eins nach dem anderen: die Wissenschaftler der LMU München wollten herausfinden, welche Auswirkungen körperliche Belastung in Höhe auf Hämodynamik, zerebrale Oxygenierung, kognitive Funktionen und auf molekulare Variablen hat, und erhofften sich gleichzeitig vielleicht noch ein paar spannende Erkenntnisse über die akute Bergkrankheit zu erlangen. Und genau das würde uns ja auch brennend interessieren, damit wir unsere Kunden noch besser betreuen und beraten können.

Für alle Nicht-Mediziner unter uns sei vereinfacht erklärt: die Hämodynamik ist die Lehre von den physikalischen Grundlagen der Blutbewegung. Zerebrale Oxygenierung beschreibt die Sauerstoffsättigung im Gehirn. Unter kognitiven Funktionen versteht man alle Funktionen des Menschen, die mit Erkenntnis- und Informationsverarbeitung in Zusammenhang stehen, wie z.B. das Wahrnehmen, Lernen, Erinnern oder Denken. Molekulare Variablen sind veränderliche Größen, die sich auf die kleinsten Teilchen beziehen, z.B. auf unsere Gene.

Aufbau der Studie

Die Untersuchungen wurden also einmal auf dem Berg durchgeführt, genauer gesagt auf dem auf 3.883Hm liegenden Breithorn-Gletscher (hypobare Hypoxie), und zum Anderen in unseren Höhenräumen (normobare Hypoxie), die wir auf die gleiche Höhe gebracht haben.

Die Probanden wurden noch mal in 2 Gruppen geteilt: die erste Gruppe, bestehend aus 4 Personen, ging zuerst in die Höhenkammer und dann auf den Berg, dazwischen lagen genau 6 Wochen, bei der zweiten Gruppe, 3 Personen, war es genau andersherum, ebenfalls mit 6 Wochen Abstand.

Durchführung

Der Versuchsaufbau am Berg sah folgender Maßen aus: zunächst wurde in München, auf 520Hm, die erste Messung gemacht, um eine Basis zu bilden. Danach wurden die Probanden mit dem Auto nach Zermatt (1.608Hm) gefahren, um dann am nächsten Morgen per Seilbahn, innerhalb von 45 Minuten, auf das Kleinmatterhorn (3.883Hm) „gebeamt“ zu werden. Dort folgte eine zweite Untersuchungsreihe. Im Anschluss durften sich die Probanden 2 Stunden lang belasten, in dem sie 300Hm ab- und wieder aufgestiegen sind. Im Anschluss folgte eine dritte Mess-Reihe. Nach 24 Stunden auf 3.883Hm wurde eine erneute Messung durchgeführt, und nachdem die Probanden 5 Minuten lang 100% Sauerstoff atmen durften, wurde ein letztes Mal gemessen.

Die Untersuchungen in normobarer Hypoxie sollten möglichst identisch sein zu den Bedingungen am Berg. Daher sah der Versuchsaufbau wie folgt aus: auf 520Hm Münchner-Niveau wurde ebenfalls eine Basis-Messung durchgeführt. Danach wurden die Probanden, ähnlich der Seilbahnfahrt, innerhalb von 45 Minuten in einer Höhenkammer auf 3.883Hm gebracht. Im Anschluss folgte eine 120-minütige Belastung, abwechselnd auf Radergometern oder Laufbändern mit 15% Steigung. Zwischendurch wurden immer wieder die Tests durchgeführt, so dass die Probanden in Summe 4 Stunden Luft geatmet haben mit 13,1% Sauerstoffanteil.

Symptome der akuten Bergkrankheit wurden mit Hilfe des Lake Louise Score ermittelt.

Die kognitiven Funktionen wurden mit einer Testbatterie, welche von der ETH Zürich entwickelt wurde, bestehend aus 4 verschiedenen Tests, auf einem Tablet überprüft. Dabei wurden unter anderem Reaktionszeiten, Geschwindigkeiten und Genauigkeit erfasst.

Die zerebrale Oxygenierung und die hämodynamischen Parameter wurden mit einem bunten Potpourri von Überwachungssystemen und Monitoren gemessen.

Wer es ganz genau wissen möchte, welche Parameter mit welchen Geräten etc. gemessen wurden, der findet am Ende Hinweise zu Artikeln über diese Studie.

Ergebnisse

Bei der Vielzahl der Messungen und Untersuchungen gab es natürlich auch eine Menge an Ergebnisse. Hier seien jetzt nur ein paar wenige erwähnt: die Hämodynamik und auch die Sauerstoffversorgung reagierten in der zu erwartenden Weise, während die kognitiven Funktionstests keine Veränderungen zeigten. 

Herzfrequenz, Herzindex und auch das Schlagvolumen stiegen signifikant an, während die linksventrikuläre Ejektionszeit, der Kontraktilitätsindex und die zerebrale Oxygenierung abnahmen.

Die Herzfrequenz bei Belastung in künstlicher Höhe war signifikant geringer als am Berg. Aber nach der Belastung blieb bei beiden Formen der Hypoxie die Herzfrequenz höher als im Vergleich zur Ausgangsmessung.

Nach 24 Stunden am Berg in Höhe zeigten 54,6% der Probanden Symptome der akuten Bergkrankheit, auch wenn sich die kognitiven Funktionen nicht verändert haben. Dies ist recht erstaunlich, da die bisherige Literatur keine einheitlichen Ergebnisse dazu kommuniziert.

Weiter gab es auch keine Korrelation zwischen Änderungen der Hämodynamik, der Sauerstoffsättigung oder den molekularen Parametern und der kognitiven Leistungsfähigkeit.

Durch Hypoxie und körperliche Belastung werden weiter hypoxisch-inflammatorisch regulierte Gene induziert. Dies ist wiederum für die klinische Medizin von Bedeutung.

Zusammenfassend lässt sich sagen: ein paar bekannte Dinge wurden bestätigt, ein paar neue Ansätze wurden gefunden, aber der entscheidende neue Hinweis, was die akute Bergkrankheit auslöst, der war leider noch nicht dabei. Ein „Kritikpunkt“ bei dieser Untersuchung ist die verhältnismäßig kleine Probandenanzahl. Daher werden gerade größere Studien geplant, die dann die Ergebnisse auch evaluieren sollen.

Und wer weiß, vielleicht ist dann ja auch wieder das Institut mit am Start…

Literatur:

Kammerer et al. Annals of Occupational and Environmental Medicine (2018) 30:66

LMU München: https://epub.ub.uni-muenchen.de/64638/

Kammerer, Schäfer et al. Hämodynmik, zerebrale Oxygenierung, kognitive Funktion und molekulare Variablen bei Belastung in Hypoxie. Alpinmedizinischer Rundbrief, Januar 2019: 18-23