Seit gut einem Jahr ist Tatjana Paller ein Teil des Team Hypoxicum. Ihre erste Saison im ISMF Skimo Weltcup war sehr erfolgreich. Nun haben wir sie zur ihrer neuen Erfahrung, dem Training und zu ihren weiteren Zielen befragt.
Hypoxicum: Wie kommt eine erfolgreiche Radsportlerin eigentlich zum Skibergsteigen? War es ein Ziel in den deutschen Kader aufgenommen zu werden und somit weiter Leistungssport zu betreiben?
Tatjana: Ich wollte auf jeden Fall weiterhin Leistungssport betreiben, weil ich zu dem Zeitpunkt mit diesem Kapitel in meinem Leben noch nicht abgeschlossen hatte. Doch ich habe gespürt, dass der Radsport für mich nicht mehr das ist, was es mal war. Skitouren hatte ich im Winter auch während meiner Radsportkarriere sooft es ging ins Training eingebaut und absolut gerne gemacht. Als ich erfahren habe, dass es im Skibergsteigen eine Nationalmannschaft gibt, die auf Weltcups und Weltmeisterschaften unterwegs ist, war es auf jeden Fall mein Ziel, es in den Kader zu schaffen. Zudem konnte ich mir vorstellen, dass mir die Kombination aus „bergauf quälen“ und dann „runterheizen“ ganz gut taugt, da ich als Kind schon Spaß am Skifahren hatte und danach jahrelang Ausdauersport betrieben habe.
Hypoxicum: Bist du mit den Leistungen von deiner ersten Saison im ISMF Weltcup zufrieden?
Tatjana: Natürlich ist der Plan in den nächsten Jahren ganz vorne zu landen. Grundsätzlich bin ich aber mit meiner ersten Weltcupsaison auf jeden Fall zufrieden.
Hypoxicum: Im Weltcup gibt es drei Disziplinen: Vertical, Individual und Sprint. Welche dieser Disziplinen macht dir am meisten Spaß und warum?
Tatjana: Natürlich macht einem das, was man am besten kann, auch am meisten Spaß. Ich mag diese kurzen, knackigen Wettkämpfe, bei denen man Auge um Auge mit der Konkurrenz läuft – also den Sprint.
Verticals und Individuals find ich aber auch cool, jede Disziplin hat ihren eigenen Reiz.
Hypoxicum: Neben dem Faktor Spaß lässt sich auch an deinen Erfolgen erkennen, dass dir der Sprint am besten liegt. Du erreichst gleich in deiner ersten Saison im Weltcup in dieser Disziplin mit einem sechsten und einem neunten Platz die Top Ten. Welche der anderen beiden Disziplin ist für dich hingegen die größte Herausforderung und warum?
Tatjana: Die größte Herausforderung für mich sind Individuals, vor allem wenn sie sehr technisch sind. Dabei ist das Skifahren eigentlich kein Problem, sondern eher das Spitzkehrengehen, wenn es bergauf sehr steil und eisig ist. Außerdem sind die Individuals recht lang und man muss sich seine Kräfte wirklich gut einteilen.
Hypoxicum: Neben den Top Ten Platzierungen hast du`s bei einem Wettkampf sogar aufs Treppchen geschafft. Was war es für ein Gefühl bei den Open Austrian National Championships 2021 als Quereinsteigerin den 1. Platz zu belegen?
Tatjana: Das war natürlich überragend und ich habe mich riesig gefreut. Da wusste ich: Der Wechsel vom Rad auf die Ski war die richtige Entscheidung und ich freue mich auf das, was noch kommt.
Hypoxicum: Der ISMF hat sein Bestes gegeben, damit die Weltcup Saison trotz der Corona Pandemie stattfinden konnte. War es trotzdem für dich und das Team schwierig zu reisen und wart ihr im Training und bei den Wettkämpfen dadurch eingeschränkt?
Tatjana: Natürlich war das Reisen zu den Wettkämpfen mit all den Corona-Tests und Registrierungen komplizierter als normal. Ich sehe es aber als Privileg, dass ich zu denjenigen gehöre, die auch in diesen Zeiten ins Ausland reisen dürfen und bin einfach dankbar. Wir waren eigentlich nur im Herbst bei unserem Training eingeschränkt, da zu dieser Zeit bei uns noch zu wenig Schnee lag und wir nicht ins Ausland auf den Gletscher konnten.
Hypoxicum: Inwieweit hat sich Corona sonst auf dein Leben ausgewirkt?
Tatjana: Im Studium fand das meiste online statt, was mir während der Wettkampfsaison sogar entgegenkam. Ansonsten geht es mir wie allen anderen: Man vermisst Dinge, die früher so normal waren, wie Urlaub, Essen gehen, Shoppen oder sich mit mehreren zu Treffen. Ich versuche aber positiv zu bleiben und schätze das, was ich habe umso mehr.
Hypoxicum: Während deiner Zeit im Radsport warst du in der Sportfördergruppe der Bundeswehr. Warum hast du dich dafür entschieden?
Tatjana: Die Sportfördergruppe der Bundeswehr bietet die Möglichkeit, sich voll und ganz auf den Sport zu konzentrieren und dabei finanziell abgesichert zu sein. Als sich diese Chance ergeben hat, war ich sehr glücklich darüber und habe sie wahrgenommen. Als Sportsoldatin konnte ich meinen Sport zum Beruf machen, das war das Beste, was mir passieren konnte.
Hypoxicum: Du bist mit einigen Teamkollegen beim deutschen Kader befreundet. Du hast uns erzählt, dass du dich vor allem mit Jaqcqueline Brandl gut verstehst. Wie ist es für dich, sie dann im Wettkampf als Konkurrentin zu betrachten? Fällt dir das manchmal schwerer?
Tatjana: Skibergsteigen ist ein sehr fairer Sport – am Ende gewinnt der Stärkste. Ich will damit sagen, dass du dich nicht bis kurz vor Schluss an ein Hinterrad hängen und dich schonen kannst, um dann im Sprint vorbeizuziehen. Beim Skibergsteigen kämpft jeder für sich und seinen Erfolg, daher fällt es mir nicht schwer auch Freunde als Konkurrenten zu betrachten.
Hypoxicum: Beim Training und bei den Wettkämpfen habt ihr auch Kontakt zum männlichen Kader. Vor allem der Hype um den Wechsel von Toni Palzer zum UCI World Tour Team Bora Hansgrohe macht in diesen Tagen Schlagzeilen. Was glaubst du hat Toni zu einem Wechsel von Skimo zum Radsport bewegt?
Tatjana: Ich denke, er hat einfach mal eine neue Herausforderung gebraucht, was ich wirklich gut verstehen kann. Mir gings ja ähnlich, nur andersrum. Er war sehr viele Jahre im Skibergsteigen erfolgreich und hat jetzt für sich entschieden sich nochmal in einer neuen Sportart zu beweisen. Radprofi war ja auch einer seiner Kindheitsträume.
Hypoxicum: Kommen wir zum Höhentraining. Du bist jetzt seit ca. einem Jahr Teil des Team Hypoxicum. Wann hast du das erste Mal von Höhentraining erfahren und was war dann für dich der Grund, es auszuprobieren?
Tatjana: Erfahren habe ich es durch Moritz Schaffner, einem Kumpel, der selbst im Radsport aktiv war. Das hat mich einfach neugierig gemacht. Ich wollte herausfinden, wie sich die Effekte der Höhenluft auf meinen Körper auswirken und wie ich mich damit im Wettkampf fühle.
Hypoxicum: Wie war dann dein erster Eindruck vom Training in den Höhenkammern und an den Höhengeneratoren? Inwiefern hilft das Höhentraining beim Skibergsteigen?
Tatjana: Das Training in Höhe war am Anfang noch ungewohnt. Sowohl die Intensität als auch der verfügbare Sauerstoff waren geringer als bei meinem normalen Training. Im Spätherbst begann ich dann mit dem Schlafen im Höhenzelt, um mich zu Akklimatisieren. Wir mussten die Reaktion meines Körpers auf Höhenluft erst einmal testen. Mit den gewonnenen Erkenntnissen kann ich mich in Zukunft noch präziser vorbereiten. Die Wettkämpfe im Skibergsteigen finden oft in der Höhe statt und eine Akklimatisierung davor sehe ich als absolut sinnvoll, um meine Leistung in diesen Höhen auf die Ski zu bringen.
Hypoxicum: Nun ist die erste Saison schon wieder passé. Was hast du für die Off Season geplant? Wie gestaltest du dein Training? Wird das Rennrad für die eine oder andere Session ausgepackt?
Tatjana: In der Off-Season werde ich erstmal zwei Wochen richtig Pause machen und nur mit Freunden oder Family gaaaanz gemütliche Touren unternehmen. Dann geht’s schon wieder weiter mit einem Neuaufbau und es ist erstmal viel Grundlage angesagt. Das mache ich sehr gerne auf dem Rad, am liebsten auf dem MTB. Ansonsten viel Berggehen, Laufen, Skirollern und auch etwas Krafttraining, also super abwechslungsreich.
Hypoxicum: Wie soll deine sportliche Laufbahn in Zukunft weiter gehen?
Tatjana: In der kommenden Saison möchte ich an die besten Ergebnisse dieser Saison anschließen und mich in allen drei Disziplinen weiterentwickeln. Außerdem würde ich gerne wieder in die Sportfördergruppe der Bundeswehr aufgenommen werden. Parallel dazu möchte ich mein Studium weiter durchziehen, da es mir auch sehr wichtig ist und außerdem ein guter Ausgleich zum Training ist.
Hypoxicum: Welches großes Ziel willst du im Skibergsteigen noch erreichen? Was treibt dich an?
Tatjana: Ein direktes Ziel jetzt auszusprechen, finde ich schwierig. Man muss von Saison zu Saison schauen, wie es läuft und wie man sich entwickelt. Aber eine WM Medaille wäre natürlich schon ein Traum. Außerdem stehen die Chancen gut, dass Skibergsteigen olympisch wird. Sollte das geschehen, ergeben sich vielleicht ganz neue Ziele.
Was mich antreibt sind aber nicht allein die Erfolge bzw. die Ziele, die ich mir gesetzt habe, sondern viel mehr die Leidenschaft, die dahintersteht. Die verschneiten Berge mit den Ski erst hochzugehen und dann runterzufahren, am besten noch mit Musik oder in guter Gesellschaft, ist für mich genug Motivation. Mir fällt es eher schwer an einem schönem Wintertag nicht raus und in die Berge zu können.